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Da, wo die Welt komplex und unübersichtlich wird, sind Verschwörungstheorien meist nicht weit. Wir mögen es, wenn die Dinge ihre Ordnung und Kausalität haben. Was wir gar nicht mögen, ist Unsicherheit. Deshalb suchen wir nach Erklärungen für das, was wir nicht oder nur schwer verstehen können. Dieses sehr menschliche Bedürfnis nach Sicherheit ist mitunter ein idealer Nährboden für das Gedeihen der unterschiedlichsten Verschwörungstheorien.

Überschwemmungen, Krankheiten und verdorrte Ernten? Wahrscheinlich das Werk von missgünstigen Hexen, die Menschen mit ihrer Magie schaden wollten! Dieses Beispiel stammt aus dem Mittelalter und zeigt, dass Verschwörungstheorien beileibe keine neue Erfindung sind. Durch die weltweite Vernetzung, die vielen Kommunikationskanäle und die hohe Geschwindigkeit, mit der wir Informationen verschicken, verbreiten sich diese Ideen jedoch weitaus schneller. Die dramatischen Folgen der Hexenverschwörung kennen wir – auf der Jagd nach Schuldigen wurden unzählige Menschen gefoltert und getötet.

Ein anderes Beispiel ist die Idee des „Weltjudentums“, bei der davon ausgegangen wird, dass alle Menschen jüdischen Glaubens gemeinschaftlich die Weltherrschaft an sich bringen wollen würden. Diese Verschwörungstheorie taucht in der Geschichte der Menschheit immer wieder auf und zieht sich vom Mittelalter zu den Nürnberger Prozessen bis in den zweiten Weltkrieg und unsere heutige Zeit.

Moment mal: Bis heute? Inzwischen sollten die Reaktionen auf Verschwörungstheorien doch weniger drastisch ausfallen, oder?

Vor ungefähr einem Jahr stürmten Anhänger*innen des abgewählten Präsidenten der Vereinigten Staaten das Kapitol in Washington. Angeblich sei eine Verschwörung gegen den Präsidenten Trump im Gange und die Wahl sei manipuliert worden. Für zahlreiche weitere Beispiele müssen wir nicht einmal die Lokalnachrichten verlassen. Immer wieder kommt es auch aktuell zu gewaltsamen Protesten gegen die Maßnahmen zum Umgang mit der Pandemie. Unter den Demonstrant*innen befinden sich mitunter Menschen, die davon ausgehen, mit der Schutzimpfung würde ein Mikrochip zur Datenspeicherung implantiert werden (Stichwort: „Schwurbler*innen“).

Bei allen Beispielen werden ein paar grundlegende Merkmale von Verschwörungstheorien sichtbar:. Besondere oder dramatische Ereignisse werden als beabsichtigt herbeigeführte Zustände definiert. Der Zufall wird außer Acht gelassen –  hinter allem steckt eine böse Absicht.

Idealerweise bietet eine Verschwörungstheorie die einfache Antwort auf eine komplexe Wirklichkeit und präsentiert eine schuldige Person bzw. eine schuldige Personengruppe (beispielsweise Krankheiten = Hexenwerk). Die Welt erscheint dann nicht ganz so chaotisch, vielmehr steckt hinter allen Ereignissen ein verborgener Sinn. Das macht die Sache an sich zwar nicht besser, aber zumindest erzeugt die Vermutung eines Sinnes offenbarmehr Sicherheit.

Die Anfälligkeit für Verschwörungsmythen ist in uns allen veranlagt, bei manchen mehr und bei manchen weniger. Letztendlich mögen alle Menschen Geschichten und versuchen seit Urzeiten, sich damit die Welt zu erklären. Hinter Verschwörungstheorien steckt zumeist ein großes Sicherheitsbedürfnis, was ein Ausdruck von Unsicherheit und Angst sein kann.

Wichtig ist: Wir müssen uns keine abstrusen Theorien oder Beschuldigungen anhören. Wir müssen nicht schweigen. Stellen wir uns dagegen, unterstützen wir online Gegenpositionen, aber bleiben wir im Gespräch und formulieren Ich-Botschaften. Vor allem aber sollten wir eins nicht vergessen: Hinter jeder*m Verschwörungstheoretiker*in steckt auch ein Mensch.