Herzstück der Konferenz am 13.09.2022 waren die World Cafés. Nachfolgend findet ihr einen Überblick über alle zehn Fragestellungen, Tischgeber*innen und Ergebnisse der jeweiligen Sessions. Viel Spaß beim Nachsinnieren!
WORLD CAFÈ 01
Thema: Handlungsbedarfe
- Fragestellung: Welche drängenden Handlungsbedarfe und Themen in Bezug auf Nachhaltigkeit gibt es für die soziokulturelle Stadtteilarbeit?
- Tischgeber: Joscha Denzel, WERK°STADT Witten
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Thema: Partizipation
- Fragestellung: Wie funktioniert erfolgreiche Beteiligung in der Stadtteilarbeit?
- Tischgeberin: Lotte Langer, Institut für Partizipatives Gestalten
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Thema: Politische Strategie
- Fragestellung: Wie lässt sich in der Projektarbeit die Bedeutung von Soziokultur gegenüber Ländern und Kommunen sichtbar machen und stärken?
- Tischgeber: Bernd Hesse, LAKS Hessen
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Thema: Nachhaltiges Veranstalten
- Fragestellung: Wie lassen sich soziokulturelle Veranstaltungen nachhaltig gestalten?
- Tischgeberin: Anna Lena Rothenpieler, KFZ Marburg
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Thema: Achtsamkeit
- Fragestellung: Welche Faktoren tragen zur Überforderung und Erschöpfung soziokultureller Akteur*innen bei und wie lassen sie sich vermeiden?
- Tischgeberin: Kristina Gruber, Justus-Liebig-Universität Gießen; Projektschmiede Keller & Gruber
- Ergebnisse: Ansicht
WORLD CAFÈ 02
Thema: Nachhaltigkeit von kreativen Formaten
- Fragestellung: Mit welchen Formaten kann Soziokultur eine Nachhaltigkeitskultur entwickeln, die möglichst längerfristig Bestand hat?
- Tischgeber: Joscha Denzel
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Thema: Ideale Rahmenbedingungen
- Fragestellung: Wie sehen ideale Rahmenbedingungen für soziokulturelle Arbeit aus?
- Tischgeberin: Lotte Langer
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Thema: Finanzierungsstrategien
- Fragestellung: Welche Strategien sind sinnvoll, um soziokulturelle Stadtteilarbeit nachhaltig zu finanzieren?
- Tischgeber: Bernd Hesse
- Ergebnisse: Ansicht
Thema: Beschaffung und Entsorgung
- Fragestellung: Wie lassen sich Materialien und anderes für die soziokulturelle Arbeit im Stadtteil nachhaltig beschaffen und entsorgen?; Tischgeberin: Anna Lena Rothenpieler
- Ergebnisse: Ansicht
Thema: Motivation themenferner Zielgruppen
- Fragestellung: Wie motiviert man eine an Nachhaltigkeit desinteressierte Nachbarschaft zur Veränderung in den Quartieren?
- Tischgeberin: Britta Kreuzer, LAG Soziale Brennpunkte Niedersachsen e.V.
- Ergebnisse: Ansicht
Aktuell werten wir das Teilnehmenden-Feedback zur Konferenz aus und möchten in diesem Zuge auf ein Forschungsprojekt verweisen und dessen Materialien zur Verfügung stellen, das eine erste Grundlage für das World Café und die Workshops der UTOPOLIS-Konferenz war:
Ein Schwerpunkt des Forschungsprojektes „Jetzt in Zukunft. Nachhaltigkeitskultur entwickeln: Praxis und Perspektiven soziokultureller Zentren“ des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim in Kooperation mit dem Bundesverband Soziokultur e.V. und gefördert vom Fonds Nachhaltigkeitskultur war die Entwicklung von Indikatoren einer zukunftsfähigen Soziokultur.
Bei der Kriterien- und Indikatorenentwicklung baut das Projekt auf die Grundlagen des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) auf, ein Instrument zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für die Wirtschaft (Rat für Nachhaltige Entwicklung, 2020). Die Orientierung am DNK erlaubt nationale und internationale Anschlussfähigkeit, strukturierte Dokumentation sowie die Möglichkeit sich gegenüber Anspruchsgruppen zu positionieren. Die Gewährleistung der Anschlussfähigkeit für möglichst alle Zentren betrachtet Müller -Espey (2019: 307) auch als wesentliche Aufgabe auf Verbandsebene.
Eine Weiterentwicklung Soziokultureller Zentren hin zu einer zukunftsfähigen Betriebsführung benötigt einen klaren Handlungsrahmen aus aussagekräftigen Kriterien und Indikatoren. In Anlehnung an den DNK ist eine erste Version für einen Nachhaltigkeitskodex in der Soziokultur entstanden. Fünf Wirkungsfelder und 17 Kriterien für eine Transformation zur Nachhaltigkeit in der Soziokultur sowie eine begleitende Anwendungshilfe werden damit vorgestellt.
Weitere Informationen zum Forschungsprojekt unter www.jetztinzukunft.de
Downloads
Wirkungsfelder und Kriterien für einen Nachhaltigkeitskodex in der Soziokultur als PDF-Datei
Anwendungshilfe für einen Nachhaltigkeitskodex in der Soziokultur
Abschlussbericht des Forschungsprojektes Jetzt in Zukunft
Wer den Ökologie-Rundgang auf der „UTOPOLIS nachhaltig im Quartier“-Konferenz verpasst hat oder diesen noch einmal Revue passieren lassen möchte, hat hier die Möglichkeit für einen vertieften Einblick in den Umgang mit ökologischen Ansätzen des Berliner Kulturzentrums ufaFabrik. Wie Werner Wiartalla, Physik-Ingenieur und Leiter des Ökologie-Büros der ufa, schon im Rundgang beispielhaft und bildhaft erklärt hat, erzählt er anhand des PowerPoint-basierten Präsentationsfilm „Ökologische Nachhaltigkeitsstrategien für soziokulturelle Zentren“ detaillierter worauf es ankommt, wenn soziokulturelle Zentren oder andere Einrichtungen Nachhaltigkeitsstrategien etablieren wollen: Er geht auf ökologische Zusammenhänge ein und beschreibt, welche Umweltprojekte die ufafabrik bereits umgesetzt hat und welche positiven Auswirkungen diese im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit haben. Das Video dient zum Wissenstransfer und möchte inspirieren, genau hin zu schauen, was in der eigenen Einrichtung vielleicht ebenfalls umsetzbar ist.
Open-Air Festivals, Dorffeste, Kabarett- und Kinoveranstaltungen, Kreativ-Workshops oder Sprachkurse – in Deutschlands soziokulturellen Zentren und Initiativen wird vieles angeboten. Auf Veranstaltungen treffen wir mit anderen Menschen zusammen und feiern, lernen oder denken die Welt weiter. Das ist und bleibt wichtig für gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine nachhaltige Entwicklung. Bei der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen können jedoch noch weitere Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden. Beispiele dafür sind: Mehrweg statt Einweg, Ökostrom, klimafreundliche Mobilität sowie regionales und saisonales Essen. Mit diesem Schwerpunkt beschäftigte sich der Workshop „Nachhaltiges Veranstalten“, geleitet von Anna Lena Rothenpieler (KFZ Marburg) und Kristina Gruber (Projektschmiede Keller & Gruber), auf der UTOPOLIS-Jahreskonferenz unter dem Motto „Soziokultur nachhaltig im Quartier. Werkzeuge für eine sozial-ökologische Transformation.“
Manche Zentren setzen bereits Maßnahmen um und wollen mehr, andere fangen gerade erst an. Zentrale Fragen, die sich soziokulturelle Zentren dabei häufig stellen sind:
- Welche Ziele setzen wir uns und wie arbeiten wir daran?
- Wer kann uns bei dem Prozess unterstützen und wie?
- Wie können wir nachhaltig beschaffen/einkaufen?
Welche Ziele setzen wir uns und wie arbeiten wir daran? Ein guter Ausgangspunkt ist ein bereichsübergreifendes Besprechungsformat oder die Bildung einer Steuerungsgruppe. Es ist wichtig, dass die Leitung des Zentrums den Prozess unterstützt und alle relevanten Bereiche eingebunden werden. Beispielsweise hat das KFZ Marburg 2019 eine AG Nachhaltigkeit gegründet. Neben fünf Nachhaltigkeitsbeauftragten aus allen Bereichen des Zentrums – Verwaltung, Öffentlichkeitsarbeit, Booking, Technik und Haus – engagieren sich rund 15 Ehrenamtliche in der AG. In einem ersten gemeinsamen Treffen kann zum Beispiel nach Handlungsfeldern erfasst werden, was bereits umgesetzt wird. In weiteren Schritten kann das Team, zum Beispiel mittels „Mind-Mapping“ sammeln, welche weiteren Maßnahmen getroffen werden sollen und konkrete Ziele benennen. Wichtig ist, dass Verantwortlichkeiten für Handlungsfelder oder konkrete Maßnahmen benannt werden und es in regelmäßigen Abständen weitere Treffen gibt, um sich über Fortschritte, Probleme und weitere Pläne auszutauschen. Die Reise vom KFZ Marburg zu mehr Nachhaltigkeit könnt ihr auf deren Website verfolgen.
Wer kann uns bei dem Prozess unterstützen und wie? Das Projekt Selbstversuch: Klimaneutrale Veranstaltungen in der soziokulturellen Praxis des Vereins 2N2K oder das Programm sozioK_change der Stiftung Niedersachsen haben deutlich gemacht, wie wichtig eine externe fachliche Prozessbegleitung und der Austausch mit anderen Zentren bei anstehenden Herausforderungen ist. Im Workshop wurde betont, dass die Koordinationsstelle die Verbindung zu den Zentren im Verband ist und auf (länder-)spezifische Bedarfe und Herausforderungen eingehen können sollte. Sie sollte aber auch eine Verbindung zum Bundesverband Soziokultur haben. Um einerseits die Entwicklungen und Bedarfe aus den Ländern an den Bundesverband heranzutragen und andererseits, um gemeinsam länderübergreifende Informationen zusammenzuführen und aufzubereiten. Die LAKS Hessen hat dafür zum Beispiel im Frühjahr 2021 eine AG Nachhaltigkeit gegründet und eine Fachperson für die Koordination beauftragt. Einmal im Monat treffen sich eine Handvoll Mitgliedszentren, tauschen sich zu Nachhaltigkeitsthemen aus und entwickeln so ihre Prozesse weiter. Darüber hinaus ist LAKS Hessen zusammen mit anderen Verbänden Mitglied in der AG Nachhaltigkeit des Bundesverbands Soziokultur und entwickelt die Vernetzung zur Nachhaltigkeit gemeinsam weiter.
Wie können wir nachhaltig beschaffen/einkaufen? Unter Beschaffung fällt einiges. Letztlich geht es um alles, was von den Zentren und Initiativen für ihre Arbeit eingekauft wird. Ob Strom, Laptop, Papier, Reinigungsmittel, T-Shirts, Catering oder Lastenrad. Bei allem kann auf Nachhaltigkeit geachtet werden. An erster Stelle lohnt sich eine Auseinandersetzung mit der Beschaffungspyramide. Demnach sollten an erster Stelle Dinge wiederverwendet bzw. gebraucht gekauft und erst an letzter Stelle Dinge neu gekauft werden. Herausforderungen beim „gebraucht kaufen“ bestehen häufig in Zusammenhang mit Förderkriterien („man muss neu beschaffen, um abzurechnen“) und auf rechtlicher Ebene (z. B. Produkthaftung oder Urheberrecht). Beschaffungskriterien sollten so gut wie möglich im Leitbild verankert werden und über die eigene Organisation hinausgedacht werden (Bsp.: Sharing economy). Auf Portalen wie www.nachhaltige-beschaffung.de oder beschaffung-info.de kann man sich informieren. Ein Ergebnis des Workshops im Rahmen der UTOPOLIS-Jahreskonferenz ist, dass die Referentin für Nachhaltige Entwicklung des Bundesverband Soziokultur ein lebendiges Dokument mit hilfreichen Links und Beispielen initiiert.
Zum Abschluss frage ich euch: „Liebe Zentren und Initiativen, wann findet Eure nächste Teambesprechung zur nachhaltigen Organisation Eurer soziokulturellen Veranstaltungen statt?“
Die 8. Kulturpolitische Jahrestagung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 28./29. April diskutiert, wie das Credo „Kultur für alle“ den aktuellen kulturpolitischen und sozialen Herausforderungen gerecht werden kann. Was bedeutet dieser Anspruch in der Praxis: sprich in kulturellen Einrichtungen, in Institutionen, in Dritten Orten, in der Soziokultur? Wie können Zugänge zu Angeboten aus Kunst/ Kultur erleichtert und neue Formate der Ansprache, neue Orte erschlossen werden? Wie bauen wir Brücken zwischen Ost und West für stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt und gegen Fremdenfeindlichkeit?
Auf der kostenfreien Veranstaltung, die in Berlin stattfindet, werden kulturpolitische Vorhaben und Best Practice zur Stärkung kultureller und sozialer Teilhabe vorgestellt. Alle sind herzlich zum Verbinden, Verbünden und Vernetzen eingeladen!
Weitere Informationen zur Veranstaltung befinden sich hier.
Gewinner des Hamburger Stadtteilkulturpreises ist Mikropol e.V., der als Reaktion auf den Abriss des ehemaligen Stadtteilzentrums ein altes Toilettenhäuschen auf einer Verkehrsinsel in Hamburg Rothenburgsort zum neuen Leben erweckt hat: Umgebaut von Nachbar*innen, Freund*innen und Studierende der HFBK und HCU wurde es zu einem offenen Raum für den Stadtteil. Die Jury begründet ihre Entscheidung damit, dass das vom Verein entwickelte Programm „Start a Revolution: Get to know your Neighbour! ein gutes Beispiel für revolutionäre gleichzeitig klassische Stadtteilarbeit ist: Es beinhaltet Mikrokino, Fotokurse und offene Musiksessions über Ausstellungen und Lesungen bis hin zu Hacky Sack Workshops für Kinder. Das Toilettenhäuschen wird als Tauschbibliothek, für Geburtstagsfeiern, zur Hausaufgabenhilfe oder Proberaum genutzt. Mikropol begreift sich zudem als politische Aktion, als Planungsbüro und Testort mit übergreifendem Ziel, ein neues Stadtteilkulturzentrum in Rothenburgsort aufzubauen. UTOPOLIS findet, dass das ein Beispiel für tolle Stadtteilarbeit ist! Der Preis ist mehr als verdient. Wir sagen herzlichen Glückwunsch!
Nähere Information zum Mikropol e.V. gibt es hier
und hier noch ein Link zu einer Seite, auf der sich das Projektvideo befindet.
Ein gemeinsamer Ruf nach Frieden in der gesamten Welt, nach Gerechtigkeit und gelebter globaler Solidarität — aus Wichtlinghausen/Oberbarmen und aus Wuppertal.
Mit Musik und Friedensgedichten am Samstag, dem 9.4.2022 um 13:00 Uhr auf dem Berliner Platz ein Denkmal für den Frieden bauen: ein Ort des Gedenkens aus persönlichen Dingen, die bitte mitnehmen, Dinge, die erinnern, hoffen und wünschen lassen. Es können Blumen, Bilder, Steine, Kerzen niedergelegt oder Botschaften hinterlassen werden.
Eine Initiative der Färberei und der Mobilen Oase/ Die Wüste lebt!
In Kooperation mit Vereinen, Initiativen und Institutionen aus dem Stadtteil und der Stadt: DUNUA e.V., refugio e.V., Ost-West Integrationszentrum e.V., IB Wuppertal — JMD im Quartier, VDK Oberbarmen, Quartierbüro 422, KUBUS, Evangelische Kirchengemeinde Wichlinghausen/Nächstebreck, Bürgerforum Oberbarmen, SKJ Stadtteilarbeit, BOB Campus, Wuppertaler Friedensforum, Hauptschule Hügelstraße, Bürgerverein Langerfeld, GESA mit dem Projekt QUARLA, Armin T. Wegner Gesellschaft e.V., Akritas e.V., Wuppertaler Jugendrat und vielen mehr.
Die Veranstaltung findet auch bei Regen statt! Warm halten ist mit Tee und Bewegung möglich! Hier findet sich noch einen Veranstaltungsflyer und Aufruf zum Download. Bitte gerne teilen und weiter verbreiten!
Der Oberhausener Verein kitev, einer der beiden UTOPOLIS-Modellstandorte in Nordrhein-Westfalen, wird vom Programm NEUSTART KULTUR unterstützt, u.a. um der Digitalisierung des Vereins Anschub zu verleihen und eine pandemiegerechte Umgestaltung der Räumlichkeiten zu ermöglichen. Pia Sollmann aus dem Team NEUSTART KULTUR beschreibt ihre Vor-Ort-Reise.
Erdnüsse und Chips? Ich sitze mit rauchendem Kopf über einem zu prüfenden Beleg eines Verwendungsnachweises und versuche, die nicht-förderfähigen Snacks von den drei bewilligten vollautomatischen Sensor-Touch-Hygienestationen zu trennen. Da fällt mein Blick auf die Uhr. Zeit, den Essener Schreibtisch zu verlassen und sich eine geförderte Kultureinrichtung mal vor Ort anzuschauen. In der Praxis, ganz abseits der digitalen Akten, wie aufregend!
Der Bus 143 rattert vorbei an Büdchen, Kiosken und Trinkhallen – die man hier im Ruhrgebiet auf keinen Fall „Späti“ nennen darf – und spuckt mich schließlich am Oberhausener Hauptbahnhof aus. Und da ist er, der ehemalige Wasserturm, der dem soziokulturellen Zentrum kitev – was für „Kultur im Turm e.V.“ steht – als Hauptquartier dient. Seit 2006 gestaltet der Verein in Oberhausen ein vielfältiges Programm rund um Kunst und Kultur und adressiert damit immer auch die direkte Nachbar*innenschaft.
Ich werde von den drei Mitarbeiter*innen Markus Kötting, Gianna Gardeweg und Stefan Schroer fröhlich in Empfang genommen und Stück für Stück in die Historie des Vereins eingeführt und dabei zu den verschiedenen Spielstätten rund um den Bahnhof geführt.
Aus alt und stillgelegt mach Kultur!
Angefangen hat alles mit den Künstler*innen und Architekt*innen Agnieszka Wnuczak, Christoph Stark und Stefan Schroer, die den Auftrag bekamen, die im Jahr 1996 stillgelegten Bahngleise 4 und 5 des Oberhausener Bahnhofs zu einem Museumsbahnhof umzugestalten. Der Bahnhof, der 1847 eröffnet wurde und damit älter als die Stadt Oberhausen selbst ist, wurde damit auch zur Open-Air-Spielstätte für Kunst und Kultur.
Schnell fällt mein Blick vom leeren Bahnsteig auch auf den gegenüberliegenden Turm im Bahnhofsgebäude. Früher diente dieser einem großen Wasserspeicher für die alten Dampfloks, die anderen Räume wurden als Büros und Übernachtungsmöglichkeiten für die Schaffner*innen genutzt. Durch technischen Fortschritt war der Wasserspeicher bald nicht mehr nötig, die Räume leerstehend und die Künstler*innen sahen in dem alten Turm einen perfekten weiteren Standort für die Oberhausener Kultur. Mit der Deutschen Bahn wurde ein Nutzungsvertrag ausgehandelt, der noch bis mindestens 2040 läuft und über den die kitev-Mitglieder sehr erfreut sind – eine Situation, von der viele Kultureinrichtungen nur träumen können.
Ich freue mich, dass die bewilligten Mittel dadurch noch lange an Ort und Stelle ihren Zweck erfüllen dürfen und die detaillierten – für die Antragsteller*innen sicherlich oft aufreibenden – Nachfragen in der Antragsbearbeitung ihren Sinn hatten.
Vielfältige Kulturangebote für Oberhausen und das Ruhrgebiet
Vom Turm aus organisiert kitev nun das Programm im Turm selbst, auf dem Museumsbahnsteig, in einem leerstehenden „Supermarkt der Ideen“, im „Unterhaus“ sowie bei Bedarf in der ganzen Stadt. Der Verein und die Stadt profitieren von verschiedenen Förderprogrammen, deren Ziel es ist, den Strukturwandel im Ruhrgebiet voran und es mit Kultur wieder zum Glänzen zu bringen.
Und davon haben natürlich auch die Nutzer*innen der zahlreichen kitev-Angebote etwas: die „Refugees‘ Kitchen“ ist eine von Geflüchteten, Künstler*innen und geflüchteten Künstler*innen gebaute und betriebene mobile Küche, die von Ort zu Ort zieht und durch das gemeinsame Kochen und Essen Menschen zusammen und ins Gespräch bringt.
Die Freie Universität Oberhausen – einer der über UTOPOLIS geförderten Schwerpunkte des Standorts – setzt dem Mangel an Universitäten und Fachhochschulen in der Stadt etwas entgegen. Hier sind alle Menschen eingeladen, sich in verschiedenen Bereichen, von Upcycling über Gärtnern bis hin zu Migrationsthemen, fortzubilden oder selbst etwas zu lehren – und das geht hier sogar ohne Grundschulabschluss.
Im „Unterhaus“, dem Ladenlokal des sogenannten „Oberhauses“, einem Wohnhochhaus, das immer wieder als problematisch wahrgenommen wird, ist ein Kieztreff entstanden. Hier können Gruppen Treffen abhalten und es gibt KüfA (Küche für Alle) zum kleinen Preis, die die Bewohner*innen des stigmatisierten Hauses, Nachbar*innen und kulturell Interessierte zusammenbringen will.
Weitermachen trotz Corona
Die Corona-Pandemie kam den zahlreichen Vorhaben von kitev natürlich in die Quere. Veranstaltungen, Kurse, Workshops und Nachbarschaftstreffs mussten abgesagt werden. Je nach Pandemielage konnten noch Angebote stattfinden. Online-Angebote waren oftmals keine Alternative, da viele der Nutzer*innen nur im Direktkontakt auf der Straße abzuholen sind und durch Online-Angebote nicht angesprochen würden. „Immerhin hatten wir Glück im Unglück“, so Markus Kötting, „als Verein mit ohnehin ausschließlich kostenfreien Veranstaltungen, sind wir nicht von Eintrittserlösen abhängig“.
Mithilfe der Mittel durch NEUSTART KULTUR – Zentren konnten jedoch Angebote aufrechterhalten werden. Luftreiniger, ein leistungsstärkerer Internetzugang und eine erneuerte Website ermöglichten die Weiterarbeit vor Ort und digital und außerdem neue hybride Theaterformate. Durch ein neues Lichtleitsystem konnte der Museumsbahnhof im Sommer auch verstärkt als pandemiesichere Kulisse für Theateraufführungen und Open-Air-Kino genutzt werden.
Was Gianna Gardeweg, Markus Kötting und Stefan Schroer von kitev aus der Coronazeit mitnehmen, ist die gute Vernetzung, sowohl technisch als auch menschlich und institutionell, die sie in Pandemiezeiten weiter ausgebaut und umgesetzt haben. Abgesehen davon kann aber gerne schnell alles wieder pandemiefrei werden und es zurück zu vollen Küfa-Abenden, vollen Workshops und Seminaren mit ganz viel Kontakt gehen – denn davon lebt sie ja, die Soziokultur.
Völlig erschöpft von meinem Ausflug bin ich dann wieder in den 143er-Bus gestiegen und an den Schreibtisch zurückgekehrt. Erstmal wieder einen Beleg prüfen und runterkommen – von so viel Soziokultur in der Praxis.
Von jeher stellt Soziokultur Raum und Räume in der Gesellschaft infrage. Im Zusammenhang mit Globalisierung und Digitalisierung und befeuert durch die Corona-Krise ändert sich das Verständnis von Raum und der Umgang damit – auch für die Soziokultur.
Räume verändern ihre Bedeutung
„Räume für Soziokultur“ war das Thema der diesjährigen UTOPOLIS-Konferenz, die erstmals in einem eigens dafür geschaffenen virtuellen Konferenzraum stattfand, inklusive einem Markt der Möglichkeiten, digitalen Pausenräumen und abendlicher Disco. Fast so wie im richtigen Leben. Das Thema ist sicherlich nicht neu, hat durch Corona aber einen neuen Stellenwert bekommen. Warum? Zum einen haben viele soziokulturelle Zentren und Initiativen erfahren, wie wichtig das direkte kulturelle Umfeld geworden ist; zum anderen wurde der Raum ganz allgemein neu gedacht: Durch die diversen Lockdowns waren die gewohnten Räume zeitweilig nicht verfügbar, der virtuelle, aber auch der öffentliche Raum wurden neu entdeckt. Dazu kam, dass Menschen auch ihre privaten Räume zur Verfügung stellten, um Wohnzimmerlesungen oder Balkonkonzerte zu organisieren.
Für Kulturmacher*innen führte das zwangsweise Innehalten, die Unterbrechung des Hamsterrades, in dem sie oft stecken, nach einer Phase des Frustes aber auch zu so etwas wie Aufbruchstimmung, dazu, Motivation neu und anders zu denken, zu Lust auf Veränderung und mehr Mut für Zukunft. Das war beim Kulturkongress zu spüren, den der Kulturrat Nordrhein-Westfalen Anfang Mai organisierte, bei der Tagung „Soziokultur im Change!“ in Niedersachsen oder bei lokalen Diskussionen in anderen Bundesländern.
Dass der kulturelle Nahraum an Bedeutung gewinnt, ist ein Trend, der schon vor Corona zu beobachten war. In einer immer komplexer gewordenen Welt mit vielen offenen Fragen suchen Menschen nach überschaubaren Strukturen, verlassen sich eher auf Nachbarschaften und eigene Communities. „Global denken, lokal handeln“ ist ein populärer Slogan. Die Lebensmittel-Ausgabe für Bedürftige sorgt nicht für Verteilungsgerechtigkeit und das gemeinschaftlich genutzte Lastenrad für das Quartier schützt nicht vor dem Klimawandel, aber es sind Beispiele für konkretes Handeln, erste Antworten auf die Frage „Wie wollen wir leben?“.
Viele Zentren sind gerade in der Corona-Zeit kreativ geworden, haben Nachbarschaftshilfe organisiert oder kleine Konzerte vor Alten- und Pflegeheimen, sie haben Tanzworkshops online veranstaltet und den Poetry Slam live über Zoom gestreamt.
Räume anders definieren
Um Räume neu zu denken, müssen wir sie anders als über ihre Funktion definieren, wonach wir Räume fürs Wohnen nutzen und andere fürs Arbeiten, für Verkehr, Konsum, Freizeit. Auch Eigentumsverhältnisse wären ein Kriterium, so gibt es öffentlichen und privaten Raum. Vor allem sollten wir Kulturakteur*innen uns davon lösen, nur den Raum zu betrachten, den wir im soziokulturellen Zentrum, im Kulturverein oder in der Initiative zur Verfügung haben. Denn darüber hinaus lassen sich öffentliche und private Räume nutzen, digitale sowieso. Warum nicht Veranstaltungen von Beginn an als hybrides Format planen und organisieren, und zwar nicht nur als Notlösung, sondern um Reichweite zu gewinnen und mehr Teilhabe zu ermöglichen?
Dafür ist mehr Flexibilität erforderlich und sicherlich auch die Überwindung eingefahrener Routinen. Andererseits bringen neue Ideen neue Erfahrungen mit sich, ein neues Publikum, mehr Kooperationspartner und letztendlich einen Bedeutungsgewinn soziokultureller Arbeit. Erfolgreiche Projekte, die ihren Aktionsraum ausweiten, lassen sich in allen Bundesländern finden, beispielsweise „Listen to your “neigbourhood“ in Hamburg Wilhelmsburg, wo das Netzwerk Musik von den Elbinseln unter Corona-Bedingungen mit gutem Erfolg ein dezentrales und hybrides Festival auf die Beine stellte.
Eigene Räume öffnen
Gleichzeitig sollten wir auch über unsere eigenen Räume nachdenken. Wie können wir sie noch mehr als bisher für Kooperation und Vernetzung öffnen, sie aneignungsfähiger machen? Auf der oben erwähnten Kulturratskonferenz in Nordrhein-Westfalen gab es dazu in der Arbeitsgruppe „Stand- und Spielbeine der freien Kulturarbeit“ eine interessante Diskussion, in der es um den Gedanken der Allmende ging, die gemeinschaftlich genutzte (und gepflegte) Weidefläche. Interessanterweise wird dieser Gedanke der Gemeinwohlbewirtschaftung auch von den internationalen Macher*innen der kommenden Documenta in Kassel 2022 aufgegriffen und unter dem indonesischen Begriff „Lumbung“ (für Reisscheune) zum Leitmotiv gemacht.
Der öffentliche Raum war in der Corona-Zeit ursprünglich nur eine Ausweichmöglichkeit, doch er bietet darüber hinaus einige Vorteile: Hier finden zufällige Begegnungen statt, hier lassen sich „Noch-nicht-Nutzer*innen“ erreichen, hier begegnet man Menschen außerhalb der eigenen Blase. Street Art, eine Performance, ein Pop-Up-Konzert, eine Skulptur können zu Kulturgenuss, aber auch zu inhaltlicher Auseinandersetzung über gesellschaftspolitische Fragen einladen. Formate wie thematische Stadtrundgänge, Stadtteil-Rallyes, Audiowalks oder Stationen-Inszenierungen boomen gerade.
Über den digitalen Raum wird im Moment viel debattiert: Die einen sind froh, nicht mehr darauf beschränkt zu sein, andere plädieren dafür, digitale Tools auch weiterhin kreativ zu nutzen und Digitalität grundsätzlich mitzudenken. Es gilt zu bedenken, dass die „Konkurrenz“ zu unserem soziokulturellen Angebot weniger in den Opernhäusern, Stadttheatern oder staatlichen Museen besteht, als im Angebot privatwirtschaftlich organisierter internationaler Medien- und Entertainment-Konzerne wie Netflix, Disney, Amazon Prime oder der Games-Industrie mit ihren hochprofessionellen Produkten und Vermarktungsstrategien.
Neue Räume erschließen
„Träume brauchen Räume“ las ich neulich auf einem Transparent an einem besetzten Haus (ja, so etwas gibt es noch), welches jetzt zu einem Wohn- und Kulturort umfunktioniert wurde, nachdem es Jahre lang ungenutzt leer gestanden hatte. Wenn Soziokultur den Anspruch einer Thematisierung gesellschaftlicher Fragen ernst nehmen will, dann sollten wir uns in herrschende Verhältnisse einmischen, unsere Räume (und Ressourcen) verteidigen und neue Räume erschließen.
In Nordrhein-Westfalen ist gerade eine neue Gründerwelle zu beobachten, angetrieben von überwiegend jüngeren Aktivist*innen in Duisburg (Stapeltor), Münster (B-Side), Düsseldorf (K22) mit neuen Konzepten und sehr viel Engagement, und das nicht nur in den urbanen Zentren, sondern durchaus auch im ländlichen Raum. Von dieser neuen Generation kann man und frau lernen, sie verdient unsere Unterstützung. Ich möchte mit meinen Einlassungen und Anregungen Mut machen, nach und vielleicht auch mit Corona nicht einfach zu alten Zuständen zurückzukehren, sondern einige Schritte nach vorne zu wagen, neue Räume für soziokulturelle Arbeit (und mit ihr) zu entdecken, zu besetzen und zu gestalten. Ideen dafür gibt es genug.
Abb.: Screenshots mit Eindrücken der Konferenz | Der Beitrag basiert auf der Keynote zur virtuellen UTOPOLIS-Konferenz „Soziokultur digital im Quartier“ am 16./17. September 2021. | https://utopolis.online
Warum Game-Design Soziokultur für wirklich alle sein kann
Mit als Skepsis getarnter Neugier betreten die Mitglieder des Hannoveraner Clubs Mediale, einer selbstorganisierten Gruppe von Senior*innen, das Hannoveraner Kulturzentrum Pavillon. Niemand von ihnen hat mehr als eine vage Idee, was sich hinter dem Begriff „Game-Design“verbergen könnte, dem Titel ihres heutigen Treffens. Genauso geht es aber auch vielen anderen Zielgruppen der Soziokultur – und wahrscheinlich auch vielen Akteur*innen der Soziokultur selbst.
Game-Design bezeichnet schlichtweg den kreativen Prozess, sich ein Spiel auszudenken und zu entwerfen: Kontext, Ziel, Spielhandlung, Regeln, ästhetische Darstellung. Damit umfasst diese Tätigkeit sowohl die Arbeit an analogen Spielen (Brett- oder Kartenspiele, Bewegungsspiele, Rollenspiele) als auch an den beinahe unendlich vielen Genres digitaler Spiele. Letztere sind mittlerweile auch ohne jedwede Programmierkenntnis oder Vorerfahrung in digitalem Design herstellbar. Je nach Genre gibt es Angebote – sowohl kostenpflichtige als auch kostenlose –,die in ihrer Funktionsweise ähnlich aufgebaut sind wie die populären Social-Media-Anwendungen: Schaltflächen für Text, Felder, in die Bild-, Audio- und Videodateien geladen werden können, sowie verschiedene Optionen für die Darstellung und die Aktionsmöglichkeiten der Spieler*innen. Nichts, vor dem sich jemand fürchten müsste.
Komplett trivial ist Game-Design natürlich nicht. Wie bei allen kulturellen Tätigkeiten machen der Grad der Professionalität sowie die zeitlichen und finanziellen Ressourcen enorme Unterschiede aus. Allerdings scheint es so, als ob gerade in der Soziokultur die Hemmschwelle größer ist als etwa bei Theater-, Musik- oder Filmprojekten, und auch dort ist der Anspruch ja nicht, dass das Endprodukt mit der Hochkultur oder der Industrie mithalten muss. Natürlich ist uns soziokulturellen Projektleiter*innen auch an einem qualitativ möglichst hochwertigen Kulturgut am Ende des Prozesses gelegen; doch das Wesentliche ist, dass die Arbeit an dem Produkt Laien Kulturtechniken, Wissen über die Gesellschaft und über Vernetzung vermittelt und ihnen einen Austausch über relevante Themen ermöglicht. Wir denken in Formaten.
Game-Design kann vielfältige Kulturpraktiken und Interessen umfassen und diese in Zusammenhang mit politischer Auseinandersetzung bringen. Spiele sind sehr häufig eine Form, um eine Geschichte partizipativ zu erzählen. Handlung und Ziel des Spieles werden durch Storytelling in einen allgemeinen Rahmen eingebettet. In kreativen Prozessen lässt sich mit unterschiedlichen Zielgruppen viel miteinander verbinden: Momente des kreativen Schreibens, die Inszenierung, also die Planung des Raumes (ob nun virtuell, in Form eines Spielbrettes oder eines tatsächlichen analogen Raumes) und die Performance der Spieler*innen. Zudem verlangt jede Form des Spiels nach einer ästhetischen Umsetzung, sei es die Gestaltung von Spielkarten, eines räumlichen Spielfeldes oder einer digitalen Schaltfläche.
Im theatral-dramaturgischen Kontext wie auch in digitalen Spielen können musikalische, audiovisuelle und grafische Elemente genutzt werden. Weist das Thema des Spiels eine gesellschaftspolitische Fragestellung auf, gibt es praktisch keine individuelle Fähigkeit, kein individuelles Interesse, das das Format Game-Design nicht einbeziehen kann. Es ist somit ein soziokulturelles Format par excellence. Die Teilnehmenden des Clubs Mediale in Hannover hatten an diesem Prä-Corona-Tag enorme Freude daran, Erinnerungen an ihren Stadtteil in eine fiktive Geschichte im Rahmen einer Spiele-App zu überführen.